Bei diesem Buch handelt es sich um ein zusammengetragenes Werk von 1924. Heinrich-Peter-Arnold Schulte-Holtey (1868-1929) ließ dieses Buch damals von Hubert Krückhans zusammentragen. Die komplette digitale Transkription tätigte Dieter Bonnekamp 2005. Das Buch ist im Besitz der Familie Norbert Schulte-Holtey in Essen-Burgaltendorf. Bei dem nachstehenden Text handelt es sich um eine komplette Abschrift, die vorzugsweise die Zeit um Heinrich-Peter-Arnold beschreibt.

Dem Anreger dieser Chronik sei auch das erste Buch gewidmet, im dankbaren Gedenken an froh zusammen verlebte Stunden. Möge dieses Buch ein trauter, alter Freund werden, der Dir stets vor Augen führt, was Du durch Deine Kraft geschaffen hast.

In steter Dankbarkeit
Der Verfasser Hubert Krückhaus

Werden-Ruhr, Juli 1924

Neckisch und lose lugt das Dorf Altendorf aus seinem Versteck hervor. Keck hat es sich im Laufe der Jahrhunderte seinen Platz gebahnt aus den grauen ernsten Recken. Immer mehr kletterte es aus dem Walde hervor um sich zu spiegeln im Fluß und schmeichelnd zu schmiegen an das düstere Alter, mit Berg und Wald rings heimliche Liebesblicke tauschend.  Lassen wir unsere Phantasie in jene Ferne schweifen wo die Römerscharen versuchten unser Heimatland zu unterwerfen, dann werden wir nur wenige Ansiedlungen  schauen. Der große Urwald „Silva caesia“ Cassischer Wald zog sich auch über Altendorf hin. Hundertjährige Eicken und graue Buchenstämme, wie silberne Säulen trugen den hochgewölbten Dom. Zwischen den lebenskräftigen Riesen ragen gespenstisch abgestorbene Baumkolosse, völlig entrindet standen sie da, als Sinnbilder des Todes. Fast unzugänglich waren die Schluchten, denn sie waren übersät mit gestürzten Baumriesen, die langsam dahin moderten und dem vordringenden Menschen sich wie Wälle und Mauern entgegenstämmten. –

Schon die ersten Nachrichten über Land und Leute an der Ruhr geben Zeugnis von den schweren Kämpfen, welche unsere Verstorbenen mit ihren feindlichen Nachbaren zu bestehen hatten. In hiesiger Gegen stießen die Römerscharen auf die Sigamber die lange Zeit Widerstand zu leisten vermochten. Die Sigamber überschritten sogar den Rhein und brachten im Jahre 16 vor Christus einem Römerheere, welches sie unterwerfen wollte eine empfindliche Niederlage bei. Drusus versuchte nun von Norden her längst der Lippe in das Gebiet der Sigamber einzufallen, aber der große Urwald, die Sümpfe boten dem römischen Heere solche Schwierigkeiten, dazu kamen die häufigen kleinern Überfälle der Sigamber, daß Drusus mit Gewalt nichts auswirken konnte. Durch List und Verrat suchte Tiberius die Kraft der Sigamber zu brechen. Als er den Führer des Volksstammes beseitigt hatte, trieben seine Heere 40.000 Menschen gewaltsam aus der Heimat weg und verpflanzten sie auf das linke Rheinufer, wo sie nachmals zu dem berühmten Volke der Franken erwuchsen, das die Römer besiegte.
Von Osten her drang ein sächsischer Volksstamm, die Marsen, in das verlassene Gebiet. Südwärts kamen die Marsen bis an den Cäsierwald, nördlich der Ruhr. Das eigentliche Siedlungsgebiet der Marsen war das feuchte Emscher und Ruhrtal. Dieses ungeheure Sumpfland, war nur stellenweise mit Wäldern und Dickichten durchsetzt, im Altdeutschen hieß dieser Sumpf  „mar“ und die Bewohner tragen den Namen „Marsen“ die am „Mar“ Sitzenden.
Durch den höher gelegenen Südteil, über den sich der Casierwald über das ganze Gebiet nördlich der Ruhr ausdehnte, bahnten damals die römischen Heere einen Weg durch unsere Heimat. Von Essen her lief diese Römerstraße, die später den Namen „Hellweg“ (d. i. heller Weg) hieß, über den Salkenberg, den Schonnebecker Berg, Kray, die Fünfhöfe in Leithe, Freisenbruch, Wattenscheid auf Bochum zu. Die weithin sichtbaren Höhen in unmittelbarer Nähe des Hellweges, der Mechtenberg und der Hallo, wiesen den römischen Kriegern und Handelsleuten die Richtung. Allmählich hatten die Römer das ganze Land zwischen Rhein und Weser in ihre Hand gebracht. Der Statthalter Quintilius Varus behandelte es bereits wie eine eroberte Provinz. Als man aber den Volksstämmen rücksichtslos die römische Rechtspflege aufzwingen wollte, einigten sich erstmalig die deutschen Stämme zwischen Rhein und Weser, zum Befreiungskampf gegen die fremden Unterdrücker. Auch die Sigamber und Marsen fochten in den Reihen der Deutschen, die unter dem jungen Cheruskerfürsten Armin, im Jahre 9 nach Christus im Teutoburgerwalde die stolzen Legionen des Kaisers Augustinus vernichteten. Im Jahre 14 nach Christus fiel das Racheheer unter Germanicus unvermutet in das Land der Marsen ein. In einer Herbstnacht wurde das ahnungslose Volk beim Festgelage am Heiligtum der Tanfana niedergemetzelt. –
Die verlassenen Gegenden nahmen die Brukterer ein, die von jenseits der Lippe herkamen. Das Land der Brukterer, das den sogenannten „Brukterergau“ bildete, breitete sich zwischen der mittleren Ruhr und Emscher aus. Im Osten reichte es bis an die heutige Stadt Soest heran. Nach Westen erstreckten sich die der Brukterer bis an den Borbecker Mühlenbach, der von ihnen den Namen „Borachtbecke“ d. i. Bruktererbach, erhielt, und an der Ruhr nicht über Rellinghausen hinaus. Die Brukterer gehörten zum „Sachsenbund“ sie trugen auch das kurze Schwert den „Sachs“. Altendorf gehörte in der Zeit nach Christus zum Bruktererlande, es war sächsisch in Sprache und Sitte. Das Plattdeutsche unserer alteingesessenen Bauern bewahrt noch heute die westfälische, altsächsische Mundart. Die Brukterer behaupteten 6 Jahrhunderte lang die Freiheit ihres Landes. Zahlreiche unwirtliche Gegenden machten die Brukterer urbar. An vielen Stellen rodeten sie den Urwald aus und nahmen den schwierigen Boden unter den Pflug. Die wiesenreichen Täler dienten naturgemäß mehr der Viehzucht als der Ackerwirtschaft. Damals wimmelte es auf den feuchten Weiden von Scharen halbwilder Rosse. Die Brukterer, die das Pferd als Reit- und Opfertier schätzten, besaßen eine berühmte Reiterei.

In der Nähe von Altendorf, am Rande des Buchenwaldes lag der Mechtenberg. Hier war eine alte heidnische Opferstätte. Der Mechtenberg trug das Stammesheiligtum der Marsen (Dr. Wormstall, „der Tempel der Tanfana“). Die Römer führten hier die blutige Tat, die Niedermetzelung der Marsen aus. Die einst von unsern Vorfahren auf dem Berge verehrte Gottheit lebt noch in veränderter Gestalt in der Sage als „der große Kerl auf dem Mechtenberg“ fort. Ob diese Ländereien um den Mechtenberg den Rittern von Holtey gehörten lässt sich nicht feststellen. Im 12. Jahrhundert besaßen die Ritter von Altendorf die Ländereien als Essener Lehen und waren zugleich Inhaber der Burg Achtermberg. Der Volksmund erzählt über den Riesen auf dem Mechtenberg wie folgt:

Giet wietet doch alle, dat fröer op dem Mechtenberg en Rise wuonde, un einen op den Tieppelsbiarg (Teufelsberg). De Tieppelsberg liegt en Stündken van Bauckum, un den Mechtenberg liet enige  Smit Wiages von Watsche no Ollenessen hen. De bieden Risengripers baken immer tehoupe Broud und so gonk et ümmer üm. Nun moch es de Kerl op den Mechtenbiarg Broud backen un de op Tieppelsberg moch sine Kuisten brengen. Wann nu de Riese op den Mechtenbiarg in den Truag schrappen, dann war et Tied, dat de vom Tieppelsbiarg sind Broud brach. Dat Schrappen in den Truag ludde ower so, as wenn et gedonnert hadde. As nu de Stune do was, wo de Riese achter Baukem denner kommen moch schrappen sick de op de Leithe Fagnanz an den Rückenstrauk herunner. Dat konn ower de op de Tieppelsberg hören un he kam ock richtig und brach de Broude. Ower dat hat de in den Leithe noch nicht den owen angebot un de wann Baukem kam to frö: Da wor he so böüse, dat he enen Stehen nohm un den enen Risen smett. De leip ower weg un kam in en poor Sprünge in Weckendüarp an. Da foll ock de Stehen herdale, un et liet noch bie dat Spreitenhüsken. Den grouten Stein, kennt alle Lüe, de in de Gegend wuont, un he het nich anners as der groute Kieseling voan  de Kedel op den Tieppelsbiarg“.“

(Firmenich: „Germaniens Völkerstimmen“)

Unsere Gegend zwischen Ruhr u. Emscher erwachte zu neuem Leben, als die ersten Strahlen des Christentums in die stillen Waldgehöfte fielen. Im 5. Jahrhundert versuchten die Brukterer durch Anschluß an das benachbarte Frankenvolk einen Rückhalt gegen die beutelustigen Engern im Osten zu gewinnen. Die Verbindung mit den Franken unter denen das Christentum bereits Fuß gefasst hatte öffnete dem Evangelium auch das Bruktererland. So hatte in unserer Gegend das Christentum bereits tiefe Wurzel geschlagen, al die Heere Karls de Großen sie durchzogen, um in langwierigen Kämpfen die heidnischen Sachsen mit Feuer und Schwert zu unterwerfen und zu bekehren. Für die hiesige Gegend fand das Christentum einen festen Rückhalt durch das 802 vom hl. Ludgerus auf fränkischem Boden gegründete Benediktinerkloster zu Werden an der Ruhr. Es wurde der Mittelpunkt der ganzen Missionstätigkeit im Gau und war für die Bildung der kirchlichen Gemeinden von hoher Bedeutung. Unterworfene sächsische Edelinge saßen nunmehr als Grafen des siegreichen Frankenkönigs über den Gauen. Karl hatte ihnen nicht nur ihr Eigentum gelassen, sondern es auch noch durch Schenkungen vergrößert, um die sächsischen Führer an sich zu fesseln. Um Bochum waren die großen Güter der Grafen Kobbo und Ekbert, die Vorfahren der sächsischen Kaiser. Gerade die in unserer Gegend gelegenen Güter scheinen der Lieblingssitz der Ludolfinger (sächsische Kaiser) gewesen zu sein, man könnte sonst nicht verstehen, warum die Kaiser aus sächsischem Hause mit Vorliebe ihre Reichstage in Duisburg, Steele und Dortmund hielten. So berief Otto der große im Mai des Jahres 938 einen Reichstag nach seiner Pfalz Stela (Steele).

Um diese Zeit erwuchs schon ein anderer sächsischer Edelsitz zur größten Bedeutung für unsere Gegend. Es war der Oberhof Asnide (Essen), der dem Edeling Altfried durch Erbgang zugefallen war. Als dieser zum Bischof von Hildesheim geweiht worden war, stiftete er auf seinem Hofe Asnide ein Benediktinerinnen-Kloster für adlige Fräulein. Das Stift Essen gewann bald nach seiner Begründung eine erhebliche Gebietsausdehnung. Um das Jahr 860 erhielt es mit Einwilligung des Papstes Nikolaus I. alle zehnten von den Höfen seiner Umgebung.

 

Das Rittergut Holtey

Unter die friesischen Edelinge, die Heeresfolge unter Karl dem Großen leisteten, gehörten auch die Ritter Holtey. Wahrscheinlich siedelten sie sich im Jahre 900 in Altendorf an. Später gehörten die Ritter von Holtey dem Landadel des Stiftes Essen an. Die Ritterburg entstand gegen Ende des 12. Jahrhunderts anstelle eines alten Hofes. Im Kampfe der märkischen Ritterschaft gegen den Erzbischof von Cöln war das Stift Essen in die Gewalt der Kirchenfürsten gekommen. Er sicherte es nun durch den Bau von Befestigungen an der Ostgrenze gegen die Grafschaft Mark. Eine Reihe von Wasserburgen wurden hier angelegt, zu diesen Wasserburgen gehörte auch die Burg Holtey.
So berichtet Rautert in seinem Büchlein die Ruhrfahrt aus dem Jahre 1827 (Seite 99) wie folgt:

„Nahe bei Altendorf, im Grunde, liegt eine andere wenigern bekannte ehemalige Ritterburg, der jetzige Hof des Schulte Holtey. Noch sind die Spuren alter Befestigungen nicht verwischt. Eine jetzt mit starken Buchen bewachsene reguläre Umwallung schließt nahe bei dem Hofe eine Erhöhung ein, die um sich noch einen Wassergraben hatte, wo wahrscheinlich früher ein, jedoch kleines, besonderes Kastell gestanden. Ritter Goswin von Holtey lebte 1391.“

Professor Dr. P. Bahlmann berichtet „Ruhrtalsagen“ 119.

„Tief unten im Tale soll in den Hofe des Schulten-Holtey, der noch eine von Wall und Graben umzogene Erhöhung aufweist, eine andere ehemalige Ritterburg gestanden haben. Nach der Überlieferung hätte hier im 14. Jahrh. Als letzter Ritter Goswin von Holtey gelebt, nach dessen Tode das Rittergut aufgeteilt, nach dem 30jährigen Kriege durch Heirat nochmals in einer Hand vereinigt, später jedoch wiederum in Ober- und Nieder-Holtey getrennt sei. Die 1878 während des Eisenbahnbaues am Burggraben gemachten Funde – alte Mauern, eine Säule und ein jetzt in Niederwenigern befindliches Kapitell sollen die Überlieferung bestätigen.“

Prof. Bahlmann behauptet ferner die märkischen Ritter Holtey hätten seit 1289 anderswo gewohnt. Dürfen wir nun die Frage bejahen, ob hier die Burg gestanden oder vielmehr die Ritter von Holtey gelebt haben?
Die später folgenden Urkunden werden beweisen, dass die Ritter von Holtey zum Stift Essen gehörten, auch später gehört das Gut Holtey nach Essen, als Unterhof, obwohl es im Gebiet der Grafschaft Mark lag.

Hart an der Grenze zwischen Mark und Essen, dicht an der Ruhr, die in vielen Armen sich durch das breite Tal zog, lag die stark befestigte Burg Holtey, zum Schutze gegen die märkischen Ritter.

Geheimnisvoll leis hält das Lüftchen Zwiesprache mit der Ruhrwelle, geheimnisvoll schleicht es durch die hohen Buchen, die finstern Lanzenknechte, die ihre Zweige mitleidig über die Trümmer einstiger Herrlichkeit recken. Wahrlich trotzig genug schaute die Burg Holtey ins Ruhrtal. Nicht Jahrhunderte hat die Burg gestanden und doch ist sie im Volke nicht vergessen. Nun steht dort ein Bauernhaus und stolze Buchen bedecken jetzt den Raum wo einst durch hohe Ritterhallen die Becher fröhlich klangen. Die stolzen Bauten wo die Ritter wohnten und Knechte, die Waffensäle, der hohe Turm sind verschwunden. Man sieht kaum die Stelle, wo sie prangend standen und mit ihren Bogenfenstern, die im Strahl der Abendsonne wundersam leuchteten, weit in das Tal der Ruhr hinein schienen. Mit ihnen sind aber auch die tiefen Burgzwinger und machtdunklen Verliese verschwunden, wo mancher Seufzer, manche Klage ungehört verhallte. Ein Lied von irdischer Vergänglichkeit singt die Ruhrwelle. Die Wipfel der hohen Buchen rauschen, und wenn ein flüsternd Rauschen durch das Gezweig zieht, geisterhaft, wie ein verlorener Klang, wenn die Weise der Drossel klagend die grüne Nacht durchzittert, dann tönet von Lieb und Leide, das alte, uralte Lied.
Wenn auch die Burg Holtey sich nicht mit den großen Burgen messen konnte, so war der Bau desto mehr befestigt. Trotzdem schauten die Türme und Zinnen trotzig und stolz in das Ruhrtal hinaus.
Breit und wuchtig fußten ihre Mauern in dem felsigen Grunde. Die Burg war mit Wällen und breiten Wassergräben gegen feindliche Angriffe trefflich geschützt. Schon ihre Lage war für die Verteidigung außerordentlich günstig. Ein gewaltiger Eckturm ragte hoch aus dem Felsenbau empor. Die Burg hatte nur einen Zugang über die Fallbrücke.

 

Die wirtschaftliche Grundlage des ritterlichen Lebens war die Lehnsverfassung, die Zinsen der ihm hörigen Bauern ermöglichten dem Ritter, ein Leben ohne Arbeit zu führen. War kein Krieg, dann war sein Leben eigentlich nur Vergnügen, Spiel und Müßiggang. So durchsetzt mit Ritterproletariat, erzogen zu einem Leben ohne Arbeit, trat der Ritterstand ein in den Kampf mit den ihm ungünstigen Bewegungen einer neuen Zeit. Das Ritterwesen verlor durch den Übergang der Naturalwirtschaft in die Geldwirtschaft die wirtschaftliche Grundlage seiner Existenz und seine politische Macht. Das Rittertum wurde jetzt zum Raubrittertum herabgedrückt. Die Ritter versuchten zunächst durch Fehden sich wirtschaftlich besser zu stellen.

Die Form der Fehdebriefe war ziemlich gleich und lautete kurz so:

„Wisse, dass ich … dein … Feind sein will.“

Auch die Ritter von Holtey waren solche Raubritter geworden und zwar die gefährlichsten im Stift Essen. Ihr Wahlspruch lautete auch:

„Reiten und Rauben das ist keine Schand,
Das tun die besten von dem Land“

Was die Bauern von den Raubrittern zu erdulden hatten schildert am besten das Gedicht „Meier Hembrecht“:

„Wer lügen kann, der ist ein Held,
Betrug ist, was bei Hof gefällt,
und wer nur brav verleumden kann,
der gilt als rechter höf´scher Mann.
Der tüchtigste ist allerorten,
Wer schimpft mit den gemeinsten Worten.
Dahin ist der Turniere Pracht,
Dafür hat Neues man erdacht.
Einst rief man kampfesfreudig so:
Frisch auf, Herr Ritter, auf zum Jagen,
jetzt aber schallts an allen Tagen,
Stich hier und schlag zu Tode den,
Und blende den, wer zu gut kann sehn.
Dem dort hau frisch nur ab das Bein,
Den laß der Hände ledig sein,
Laß den am nächsten Baume hangen,
doch jenen Reichen nimm gefangen,
Er zahlt uns gerne hundert Pfund.“

Mit Schaudern erkennen wir, wie die Bauern unter der Raub- und Mordgier des Ritterproletariats litten. Und wie ihnen erging es den reisigen Kaufleuten mit ihren Wagenzügen besonders auf den großen Handelsstraßen. Wohl erhielt der Kaufmann von den Städten bewaffnete Geleite, das ihn und seine Waren sicher von Ort zu Ort bringen sollte, gar oft aber half auch dieses wenig. Wo er daher am Wege, von frommer Andacht errichtet, das Zeichen des Friedens, das Kreuz Christi, fand, da machte der Kaufmann mit den Seinen Halt und erflehte den Schutz des mächtigen Gottes.
Wie vorher schon erwähnt gehörten auch die Ritter von Holtey zu diesem Raubrittertum. Sie hatten es so schlimm getrieben, dass Papst Clemens V. eine besondere Bulle gegen die Adligen, welche die Hofleute des Stiftes Essen beraubten, speziell  gegen Theodor von Holtey und dessen Sohn.
Kindl. Mskrpt. T.104 p. 487.

Papst Clemens der V. beauftragt den Dechant zu St. Ludger in Münster den Bannspruch gegen mehrere Adelige zu vollziehen. (1312.) Ex orig.

(es folgt der lateinische Text der Urkunde)

Die Räubereien des Dietrich von Holtey fanden auch ein gerichtliches Verfahren. So berichtet Prof. Ribbeck  Geschichte der Stadt Essen 187 u. 188.:

„Für Lehnsvergehen war das Gericht der Kemenate der Äbtissin zuständig. Das Recht wurde hier auf die Frage der Äbtissin oder ihres Vertreters, des Erbmarschalls, von den versammelten Dienstleuten gewiesen und unter Mitwirkung des Freivogtes wahrscheinlich desselben Vogtes, der sonst den Namen des Schwurvogtes trägt beschworen. Das Urteil konnte auf Schadenersatz oder Entziehung des Lehens lauten. Bis er dem Gerichte genug getan hatte, konnte der Verurteilte von dem Marschall auf der Abtei in Haft gesetzt werden. Im allgemeinen war natürlich das Gericht der Standesgenossen zu einer milden Verurteilung der Vergehen geneigt. Es lag also nahe, dass die Dienstmannen deren Standesgefühl sich immer schärfer ausprägte auch andere Streitigkeiten als die eigentlichen Lehnssachen vor diesem Gericht zum Austrag zu bringen suchten. Schon aus dem Jahre 1318 wird berichtet, dass – Dietrich von Holtey, - nachdem er zur Sühne früherer Gewalttaten einige seiner Eigengüter der Äbtissin zu Lehen aufgetragen hatte, sich verpflichtet habe in Zukunft Streitigkeiten mit den Essener Bürgern und Ministerialen vor dem Gerichte der Äbtissin in ihrer Kemenate zu verfolgen.“

Das Wappen der Ritter von Holtey gibt uns Aufschluß über die hohe Würde des Hauses. Es führt 3 Pferdepramen, ein Zeichen, dass die Ritter von Holtey einst im Besitze des Marschallamtes waren. Leider sind uns zu wenige Urkunden über die Ritter von Holtey erhalten. Im Jahre 1391 lebte Ritter Goswin von Holtey. Die Bannbulle des Papstes und das Bemühen des Abtes von Werden scheinen Erfolg gehabt zu haben. In dem selben Jahre 1391 findet sich der Rittersitz, eine von Graben und Wällen umgebene Wasserburg im Lehnsverzeichnis der Abtei Werden (Kötzschke Urbare II 27.) Das Geschlecht von Holtey ist erloschen und der Besitz auf den Ritter Hugo von Horst übergegangen. Als dieser 1400 stirbt, wird Rotger von Düngeln damit belehnt. Von diesem kommt Holtey 1481 an Johann Schell sel. Arndt Schelen Sohn to Aldendorp, der vom Abte Adam von Werden mit dem Gute, genannt Holtey „dat Rotger von Düngelen tho hebben pflag“ belehnt wird. (Kindl. Tom. Mskrpe. 175. S. 207.
1486 ist Unter-Holtey oder Schulte Holtey im Besitze der Familie Schulte Holtey (Schatzbüchlein der Grafschaft Mark). So stehen wir am Ende einer uralten Ansieldung. Kurze Zeit hat ein stolzes verwegenes Geschlecht auf der Ritterburg Holtey gehaust.. Spurlos ist es verschwunden. Nach mündlicher Überlieferung sollten die Ritter von Holtey nach Kurland gezogen sein. Tatsächlich sind in jener Zeit eine Reihe von Rittern, auch aus dem Stifte Essen nach Kurland ausgewandert.

Hören wir weiter was aus dem Gute Holtey wird.

 

Der Hof Schulte Holtey

Reste von dem ehemaligen Rittersitz Holtey sind erhalten geblieben in dem Gute des Schulte-Holtey, das tief unten im Tale hart am Bergabhange  im breiten Tale der Ruhr liegt. Auf eine stolze Vergangenheit kann der Hof zurückblicken, den aus dem Jahre 1486 wird im Schatzbuch der Grafschaft Mark“ als Besitzer des Hofes:

           Jan Schult in der Holten /Schulte-Holtey genannt.

Jährlich muß der Hof 4 Gulden Steuern zahlen. Das Gut des Schulte-Holtey hatte also im Jahre 1486 einen Wert von 100 Gulden.
Die Schatzung war nämlich auf dem platten Lande verteilt wie folgt:

„Wessen Gut 200 Gulden Wert hatte, der sollte 6 Gulden zahlen also 3 %;
von 100 Gulden Wert 4 Gulden, also 4 %;
von 75 Gulden Wert 3 Gulden, also 4 %;
von 50 Gulden Wert 2 Gulden, also 4 %,
von 25 Gulden Wert 1 Gulden, also 4 %.“

Der Hof Schulte-Holtey gehörte aber nach wie vor auch zum stifte Essen, als Unterhof des Oberhofes Eickenscheidt. Schon im 14. Jahrhundert finden wir das Gut „Die Hove = (Unterhof) in der Holtey im Kirchspiel Wenigern“ im Kettenbuch der Reichsabtei Essen verzeichnet. Im 18. Jahrhundert wird der Hof im Behandigungsbuch der Abtei nicht mehr aufgezählt. Es scheint also, dass sich der Hof zu jener Zeit schon frei gemacht hat.

Im Kettenbuch (fol. 11 a) hat der „mansus Gerhardi in der Holteye“ jährlich an den Oberhof Eickenscheidt zu liefern:

           12 Faß Braugerste,
           5 Faß Hafer,
           3 Schweine,
           5 Denar „konynxcope“
           1 junges Huhn,
           1 Mäher
           1 Bendel (Binder)
           1 Pflug.“

Am 13. Juni 1618 wird Johann Schulte in der Holteye zu einem Hobsgeschworenen, vor Johann Boxstert in Anwesenheit aller Hofesgeschworenen des Hofes Eickenscheidt auf- und angenommen.“
Protokoll im Hofbuch Eickenscheidt (Essen – Stadtarchiv)

 

Das Hobsgericht (Hofgericht)

Der Schultheiß hatte zunächst den Vorsitz im Hobsgericht oder Hofding. Dieses fand ungeboten, d. h. pflichtmäßig wenigstens einmal im Jahre, regelmäßig sogar zwei- bis dreimal statt. Es hieß auch die Hofsprache. Im 16. u. 17. Jahrh. tagte es für Eickenscheidt an der Vigil von Fronleichnam oder von Christi Himmelfahrt. Der dritte Termin war im 17. Jahrh. Montag nach St. Andreastag. Im 18. Jahrh. tagte man an den Montagen nach Himmelfahrt und Michaelis. Wenn eine außergewöhnliche Tagung des Hofgerichtes nötig war, so wurde das Kommen dazu den Geschworenen geboten, deshalb nannte man dann das Gericht ein gebotenes Gericht.
Der Ort des Hofgerichtes, die Malstätte war nicht auf Eickenscheidt selbst, sondern in Steele. Hier wurde der Hoftag im 16. u. 17. Jahrhundert „auf dem Brink“ abgehalten (Hobsbuch von Eickenscheidt und Urkunden im Anhang) wo ein Unterhof von Eickenscheidt lag.
Das Hofgericht selbst wurde seit altersher (Nach den Angaben des Essener Kettenbuches aus dem Jahre 1332) von 12 Geschworenen gebildet. Sie ergänzten sich bei Sterbefällen oder freiwilligem Rücktritt einzelner Kollegen durch Kooptation. Wahlfähig waren allein die dem Stifte Essen und dem Oberhofe huldigen und hörigen Inhaber oder Erbberechtigten der Unterhöfe.  Wenn ein solcher „Hobsmann“ zum Geschworenen zugelassen war, hatte er in Gegenwart der versammelten alten Geschworenen und des Schultheißen  dem Oberhof, dem Stift Essen und dem Inhaber des „obersten Schultheißenamtes Treue und Huld zu geloben, als Gebühr ¼ Faß Wein oder den Wert dafür ¼ Reichstaler zu entrichten. Eine solide Schwurformel lautete für die Hobsgeschworenen wie folgt:

Ich Johann Schulte-Holtey schwöre einen leiblichen aidt der hochw. hochgeb. Fürstinne dieses Oberhofes Eickenscheidt obristen Frauen hobsschultinne, dero zeitlichen hovesschulten und dem ganzen hove Eickenscheidt zu Gott und allen Heiligen in meiner Seele … ihrer hochfürstlichen Gnaden und den ganzen hove Eickenscheidt treu, holt und gewertig zu sein, nutzen zu suchen und schaden abzuwenden, dem Hove in allem gehorsams zu leisten auch in alten denen was mir von hovesrechten gebühret, zu handeln und zu tun, alles treulich und ohne geferde, so wahr mir Gott hilft und sein heilig evangelium. Im Anfang war das Wort etc.“

Protokoll im Hofbuch Eickenscheidt (Stadtarchiv)

Die Hobsgeschworenen mußten an den Dingtagen persönlich anwesend sein. Falls einer ohne triftigen Grund fehlte, wurde ihm eine Buße von mehreren Schillingen auferlegt. Vor das Hobsgericht kamen allerlei Rechtssachen, hinsichtlich der Leistungen der einzelnen Höfe an das Stift, über Streitigkeiten zwischen den Hobsleuten wegen Erbfolge, Abfindung der Geschwister; dann besonders Anklagen wegen Feldfrevel, Grenzsachen, Markenüberschreitung. Man nannte deshalb den Hobsschultheißen auch Markenrichter. Es handelte sich hierbei vorzugsweise, um die sogenannte Allmende, d. h. um die allen Markgenossen gemeinsame Nutzung von Wald und Weide in dem als solchem abgegrenzten Gebiet. Die Markgenossen hatten das Recht der Holzung für den häuslichen Bedarf zum Brennen und Bauen, sowie das Weiderecht für Rinder und Schafe und Schweine. während des Herbstes bis Weihnachten durften sie auch die Schweine zur Eichelmast in den Wald treiben. Dafür hatten sie die Pflicht, für das gefällte Holz junges anzupflanzen und für Aufrechterhaltung der Grenzen zwischen Feld und Wald zu sorgen.
Neben dem Schultheiß erscheint noch seit alter im Gericht der Hobsgeschworenen als Vollstreckungsbeamter der sogenannte Hobsfrone, Fronbote oder preco (Herold) welcher den Hoftag ansagen, gerichtliche Zustellungen besorgen, die Gerichtskosten und Pachtgelder eintreiben muß. Sehr oft ist es der Inhaber des Brinkmannhofes in Steele auf dem Brink.

Die Abgaben des Hofes Schulte-Holtey an Eickenscheidt

Werfen wir nun noch einen Blick auf die Art der Abgaben an den Oberhof (die kurz vorher angeführt sind) so erkennen wie der Form nach dreierlei Arten: Einmal Naturalienabgaben, Geldzinse und Dienstleistungen. An Fruchtabgaben werden genannt brasium = Braugerste und Hafer. Sie wurden nach vasa (Faß) gemessen. 7 kleine FAß machten einen Malter aus. Die Viehabgaben beschränkten sich bei den Unterhöfen meist auf ein junges Huhn jährlich, bei einigen Gütern kamen 1 bis 2 Schweine, selten wie bei Schulte-Holtey 3 Schweine hinzu. Die Hand- und Spanndienste waren ebenfalls nicht von allen Unterhöfen aber doch von der Mehrzahl zu leisten. Schulte-Holtey musste einen Mäher und Binder stellen. Die Mäher und Binder hatten von Morgens 6 bis abends 6 in der Erntezeit zu arbeiten und erhielten 3 mal zu essen und den nötigen Trank. Zum Pflug gehörten zwei Pferde. Der Dienst musste im Frühjahr und im Herbst geleistet werden. Den Hafer für die Pferde hatten sie selbst zu stellen, das Heu wurde vom Oberhof gereicht. Als Geldzins wurden 5 Denare mit der Bezeichnung „konynxscope“ d. h. eine ursprünglich dem Fiskus bezw. dem König zukommende öffentliche Abgabe. (4 Penninghe Essendisch einen Königstuornos, Königsturnos 1/12 Goldgulden. Goldgulden = 10 Goldmark. Gold besaß wegen seiner Seltenheit die fünffache Kaufkraft. Ein Königsturnos = 4 Goldmark. Ein Essener Denar 1 Goldmark 5 Denare = 5 Goldmark.)

Im Jahre 1695 sind Inhaber des Hofes:

„Arnd Schulte in Holtey und seine Gattin Sophie Lindemann aus Steele, welche angeben, dass die Holtey 18 Morgen Weiden und 14 Morgen Land habe, der Kotten 3 Malter. 1697 wird die Oberholteyhove durch den vereideten Landmesser Christoff Honscheid gemessen.“

(Ddf. Stift Essen XXII 6 e.)

Aus all diesen Urkunden dürfen wir mit Recht schließen, dass das Gut seit dem Jahre 1486 fest im Besitz der Familie Schulte-Holtey gewesen ist. Leider ist vor einer Reihe von Jahren das alte Bauernhaus abgebrochen worden, es würde uns noch manchen Aufschluss gegeben haben. Doch wollen wir im Geiste uns das alte Haus vor Augen führen. Das Bauernhaus ist ein Vertreter des Bestrebens, zäh und treu an den Schöpfungen unserer Vorfahren festzuhalten. Der Bauplatz war so gewählt, dass die Früchte der Felder zu tal gefahren werden konnten und dass die Nientür der Wetterrichtung abgewendet war. Der Boden des Hauses hatte Gefälle nach der Nientür. Diese befand sich also am niedrigsten Punkte des Hauses. Sämtliche Räume des Hauses waren um einen Mittelraum gelegen, der Dehle genannt wurde. An der Kopfseite der Dehle stand ehemals der offene Herd, davor der große Tisch, für alle Bewohner des Hauses Platz bietend. Rechts und links des Herdes lehnte sich je ein Wohnraum an die Dehle; in der ältesten Zeit hat die trennende Wand gefehlt, so dass die Räume eine seitliche Erweiterung des Herdplatzes bildeten. Der Tisch stand dann meist in der äußeren Ecke des Raumes. Hinter ihm an der Wand standen Bänke, an den beiden freien Seiten hingegen drei- und vierbeinige derbe Stühle. Über der Herdstelle war bis auf etwa 5 – 6 Meter von der Stirnwand eine Balkendecke eingebaut; auf dieser wurde das Brennholz für das Herdfeuer zum Trocknen gelagert. Der Rauchfang des Herde leitete den Rauch durch eine Öffnung in der beschriebenen Zwischendecke. Damit keine Funken diesen Weg fänden, hing man über der Feuerstelle eine etwa 1 ½ zu 12 Meter große Tafel aus Eichenholz in einem Abstande von ½ Meter von der Decke an Ketten auf. An der Dehlendecke befanden sich die sogenannten Wiemen; das waren hölzerne Latten, welche mittels Holzösen in einem Abstande von etwa 30 cm von der Deckenbalkenlage an dieser befestigt war und zur Aufhängung der zu räuchernden Fleisch- und Wurtwaren dienten. Diese hing man mit Hanfschnüren an Knüppel, und die Knüppel (Schnaisen) wurden mittels einer hölzernen Gabel auf die in Abständen von 1 Meter angebrachten Wiemenschächte gelegt. Die hölzernen Gabeln nannte man Roukfuarke. Eine lange hagere, nicht mehr junge und schöne Jungfrau, führte diese Bezeichnung zum Spott. Vor hundert Jahren, als die Behörde Anlage der Schornsteine verlangten, wurde über dem Herde eine Rauchkammer angelegt.
Der Rest des Untergeschosses diente als Stallung für die Rinder, Kälber und Pferde. Schweine und Schafe hatten schon früh besondere Gebäude. Kellerräume waren nicht im Hause vorhanden, diese wurden in Gestalt von rasengedeckten Erdhöhlen in die Berglehne gegraben. Das Obergeschoß war zu Schlafkammern, Vorrats- Frucht- und Strohbüönnen hergerichtet. Diese Räume hatten ihren Zugang von der Dehle aus. Von dem Schlafgemach der Bauernfamilie aus führte ein Fensterchen nach der Dehle, welches, welches dem Bauern und seiner Frau ermöglichte, von dem an dieser Öffnung stehenden Bettkasten den ganzen Betrieb im Hause zu jeder Zeit zu überwachen. Die Bettkasten wurden auch wohl Durck oder Tackens genannt, daher auch die Ausdrücke: „Hei hiat sine Frau im Tacken“ ferner „Et es´ne Hucke im Tacken“, d. h. Mann und Frau harmonieren nicht zusammen. Das ganze Leben der Familie und der zu ihr gehörigen Personen fand seinen Höhepunkt auf dem Dehlenraume. Hier wurden die Mahlzeiten auf dem in der Achse des Hauses stehenden Herde bereitet, und sie wurden auf den wenige Meter von ihm stehenden großen Tisch von sämtlichen Hausgenossen an gemeinschaftlicher Tafel verzehrt. Der Bauer hatte seinen Platz an den Kopfende des Tisches, den Rücken dem Herde zugekehrt. Er sprach das Tischgebet und verteilte das Fleisch unter die Tischgenossen, der älteste Knecht hatte das Amt des Brotschneidens und saß dem Bauer gegenüber. Die Frau saß an der rechten Seite des Mannes, an der Langseite des Tisches. Teller kannte man früher nicht. In der Bohle des Tisches waren Vertiefungen angebracht, in der Mitte eine große und ringsumher am Rande eine Anzahl kleine. Diese Vertiefungen ersetzten die Schüsseln und Teller, Löffel hingegen gab es schon früh, sie waren aus Holz, später aus Eisen oder Zinn. Jeder Hausgenosse hatte seinen besonderen Löffel, der mit Zeichen versehen neben dem Herde auf einem Brett an der späteren Tellerbank steckte. Hier hing auch das „Spohnbriäd“ für die Kienspähne. Die Kochtöpfe waren Ton, Kupfer und später aus Gusseisen. Die kupfernen Gefäße (Kessel, Kannen, Schüsseln u.s.w.) bildeten einen Hauptgegenstand des Stolzes der Hausfrau und hingen blitzeblank gescheuert neben dem Herde. Bei schlechtem Wetter und zur Winterszeit versammelte sich an Sonn- und Feiertags-Nachmittagen der junge Volk zu allerlei Kurzweil auf der Dehle. Die Alten zogen sich in die Stube zurück, um die etwa vorhandenen Freier an der Aussprache mit dem Mädchen nicht zu hindern. War ein junger Mann der umworbenen Tochter des Hauses nicht genehm, so überreichte sie ihm auf einer weiß gescheuerten Holzplatte oder einem Teller eine „Hottenbutter“.  Nach der Sitte durfte keiner ohne Imbiß verabschiedet werden und aus diesem Grunde wurde die Darreichung eines Imbisses in unserem Fall als Aufforderung zum Aufbruch angesehen. Der Abgewiesene kam nicht wieder. Beim Auseinandergehen begleitete die Umworbene jeden Anbeter bis zur Nientür, mit dem Auserwählten ging sie jedoch noch ein kleines Stückchen auf den Weg. Hiermit deutete sie den übrigen ihre Wahl an, welche daraufhin sich zurückhielten. Mancher deftige Streit mit nachfolgender „Keilerei“ ist jedoch aus dieser Art Brautschau entstanden. Die Dehle diente auch als Festraum für alle vorkommenden Feiern. Hier feierte man die Hochzeiten der Bauernfamilie, die Taufe des jungen Sprossen, hier versammelte man sich zum Erntefest zu fröhlichem Gelage, hier bahrte man die Toten kurz vor der Bestattung auf, Notnachbaren nagelten den Sarg hier zu, und danach versammelten die Hausbewohner sich darum zu gemeinsamer Andacht. Wenn auch auf der Dehle manches Fest freudigen und traurigen Grundtones gefeiert wurde, so ist nicht zu vergessen, daß ihre Hauptbestimmung als Arbeitsraum die Form und Bauart vorschrieb. Das Leben des Bauern ist ein viel zu ernstes und entsagungsvolles gewesen, als dass er sich in seinem Hause viel Luxus hätte erlauben können. Außer der Herrichtung des täglichen Viehfutters diente die Dehle zur Verarbeitung der Feldfrüchte, insbesondere der Körnerfrüchte. Die Erntewagen wurden auf die Dehle gefahren, von dort wurde ihr Inhalt durch die Bodenluke in den Speicherraum gereicht, wo sich unter dem hohen Strohdache Raum zur Stapelung bot. Zur Winterszeit wurde das Getreide auf der Dehle gedroschen. Das Dreschen geschah mit dem Handflegel von drei bis sechs Personen; die Mägde mussten dabei mithelfen. Der Bauer gab den Takt an, welchen er durch Hersagung eines Versleins wieder herstellte, wenn Unordnung eingetreten war. Diese Verse waren bisweilen sehr derber natur. So war es üblich, zu jemanden zu sagen, welcher nicht kräftig ausholte  „Du hias mal wier ne Pannekauken ungerm Armen.“ Der Fußboden der Dehle war mit Lehmschlagboden versehen, den man mit Rinderblut tränkte, wodurch er eine glatte und zähharte Oberfläche erhielt. Schon vor dem 30jährigen Kriege machte sich das Bedürfnis nach weiteren Räumen für die Familie des Bauern geltend. Man half sich durch den Anbau an der Herdseite. Die alte Herdmauer wurde als Trennungswand zwischen Menschen- und Viehhaus ausgebaut.  Die Grundmauern des Hofes waren massiv. Der Bau selbst war Fachwerk. Die Ausfüllung der Gefache geschah mit beiderseitig von einer Strohlehmschicht bedeckten Lehmrutenwerk, der sogenannten Lehmfitterwand. In dieser stehen starke gerissene Eichenscheite senkrecht in den Riegelwerk, sie sind mit dünneren Ruten wagerecht durchflochten. Der Lehmbewurf wurde in späterer zeit mit Kalkmulch, die Balken mit Teer bestrichen.

An den langen Winterabenden saßen alle Hausgenossen in der Stube am Herdfeuer. Die Frau mit ihren Töchtern und Mägden am Spinnrad, die Knechte schnitzend und rauchend auf den Ofenbänken. Häufig kamen die Nachbaren. Allerlei Shauermärchen von spukenden Geistern, Hexen, Werwölfen, von Bannen und Besprechen wurden erzählt.
Lassen wir die Großmutter erzählen:

Die Taufe des Irrlichts.

„Einst kehrte der Holteyer Schäferknecht, von einer Festlichkeit in später Nachtstunde nach dem Hofe zurück. Als er die duftenden Wiesen durchschreitet, hüpft auf einmal ein feuriges Männlein bald vor, bald hinter ihm einher und vertritt ihm am Bachsteg den Weg. Der mutige Schäfer aber läuft nicht zurück, sondern macht das Zeichen des Kreuzes und gebietet ihm, zu entweichen. Da fleht ihn ein feines Stimmchen an: „O, taufe mich, ich bin das tote Kind einer Magd, die mich gemordet, bevor man das Sakrament mir gespendet!“ Und mitleidig greift der Schäfer in den Bach und vollzieht die Taufe, nach der das Flämmlein gen Himmel schwebt und zum Stern wird. Noch steht er staunend auf der Brücke, da umdrängen ihn immer mehr solcher Flämmchen und begehren wie das erste, von ihm getauft zu werden. Auch ihren Bitten willfahret er bis der Morgen naht, und weil sie gleichfalls zu Sternen geworden, ist seitdem aller Spuk von den Wiesen verschwunden.“ (Bahlmann Ruhrtalsagen).

„Auf beiden Ufern der Ruhr kennt man an der rheinisch-westfälischen Grenze noch die Schreckensgestalt des schwarzen Hildebrand, eines ehemaligen gräflichen Vogtes, der seine Seele dem Teufel verschrieben hatte und dafür von diesem mancherlei Gaben erhielt, endlich aber doch seinen Meister fand. Nicht nur Frauen und Kinder, sondern selbst die mutigsten Männer zitterten vor dem Allgewaltigen, der den festlich gekleideten Mädchen den so sorgsam behüteten Schmuck von Hals und Busen riß, den Knechten und Bauern gar oft Püffe und Ohrfeigen zu kosten gab, überhaupt einen jeden schimpfte und plagte, der ihm vor die Augen trat, selbst wenn er noch so aufmerksam und gefügig sich zeigte. Grausam besonders befiel die Knechte, die er zum Mähen der Felder entbot; denn einem solchen Vormäher waren sie nicht gewachsen, mit ihm Schritt zu halten, wäre für sie der sichere Tod gewesen. Jedesmal entboten sie deshalb von Beginn der schweren Arbeit seine Nachsicht und suchten ihn milder zu stimmen durch Linnenhemde, die sie einer nach dem andern ihm darreichten. Diesem jahrelangen Brauche aber wollte einst ein junger kräftiger Bursche, der erst seit kurzem auf dem Hofe diente und zum erstenmal den Schnittern sich anschließen musste, so sehr man ihn auch warnte, nicht folgen, und allein von allen verweigerte er den Herrschsüchtigen die Gabe. Rache brütend stellt ihn dieser gleich neben sich an, und vorwärts geht’s zum schrecklichen Messen der Kräfte. Die Sensen rauschten, die Schwaden fallen, und immer weiter bleiben zurück die Knechte hinter den beiden. Die aber mähen, mähen das Feld hinauf und hinunter – einmal – zweimal – und beim dritten Gange ist der Jüngling sogar dem Alten voraus und erreicht erschöpft, doch zuerst, das Ende der Flur. Da kennt die Wut des wilden Vogtes keine Grenzen; heulend und fluchend stürzt er zur nahen Quelle und trinkt – trinkt – bis schäumendes Blut seinem Munde entströmt und er tot zusammenbricht. Kreidebleich nahen sich zögernd die Knechte der Leiche des Gehaßten und danken innig dem Kameraden, der mit Gottes Hilfe sie und die ganze Gegend von dem Unhold befreite.“ (Bahlmann, Ruhrtalsagen.)

Die Spinnmädchen hatten langsam aufgehört, mit der Arbeit, als die Großmutter verstummte, ermahnten einander zur Arbeit, indem sie sangen:

„Spin Miäken, spin!                      De Friger kümt herin
Met de witen Müsche                      Wel dat Miäken küssen.“

(Es folgen die Ahnenreihen, angefangen mit dem um 1638 geborenen Arndt Sch.-Holtey bis zum 1868 geborenen Heinrich Peter Arnold Sch.-Holtey und seinen Kindern. Diese Ahnenreihe ist bei Beisken ausführlicher dargestellt. Darum wird hier auf die Wiedergabe verzichtet. D. B.)

 

Seit Jahrhunderten sitzt die Familie Schulte-Holtey auf ihrem Gute. Eine lange Ahnenreihe verkünden uns die Blätter der Chronik. Gute und schlechte Tage wechselten, doch immer hielten die Ahnen in treuer Liebe fest an dem uralten Gut.
Gar manche Kriegsstürme sind auch über Altendorf hinweggefegt. Wenn auch wir den Namen Altendorf, nicht in goldenen Lettern der Weltgeschichte verzeichnet finden, so geben die ersten Nachrichten über Land und Leute an der Ruhr Zeugnis über die schweren Kämpfe und auch später war der Ort und die Umgebung häufig der Schauplatz greulichster Verwüstungen einer zügellosen Soldateska.
Schrecklich haben 1598 hier die Spanier gehaust. Tagelang schon lief das Gerücht, dass die Spanier näher kamen, die Dörfer verwüsteten und Menschen töteten. Flüchtlinge brachten die wildesten Erzählungen. Die Häuser geplündert, die Bewohner verstümmelt, das Korn in den Scheunen verbrannt.
In düsterer Nacht kam von Kettwig, Werden, Heisingen, Kupferdreh, Rottberg ein gewaltiges Reiterheer. 25.000 Spanier unter dem Heerführer Mendoza zogen im Oktober 1598 durch unsere Gegend. In toller Jagd reiten die braunen Gesellen auf ihren Gäulen hinüber über Feld und Garten, hinein in Scheune und Haus. Die Kehlen trocken nach Wein und Bier, die Augen voll Wollust nach Geld und Gut und Blut, und in blinder Angst fliehen alle Bewohner in den nahen Wald. Blut zeigt die Straße, die sie geflüchtet sind und der Wald hört die Schmerzensklage geschlagener und geängstigter Menschen, die zitternd lauschen, ob Fluch und Schrei der wilden Spanier ihnen folgt, die stieren Auges hinüberschauen auf die grelleuchtenden Häuserfackeln. Im historisch arroganischen Spiegel heißt es über die Greueltaten der Spanier im Stift essen: „Das Stift Essen und Werden haben sie verheert und beraubt und an Männern und Frauen solche Schande und Mutwillen geübt, dass es nicht auszusprechen ist“.
Empört schreibt die Fürstin von Essen am 26. April 1590 schon (die Spanier lagen von 1588 – 1604 fast ununterbrochen im Stift Essen) dass ihr Land verdorben und verarmt, der Flecken Steele mit gewalt genommen und geplündert sei; sie nimmt schließlich eigene Söldner an und fordert die Bauern auf sich selbst zu bewaffnen und zu verteidigen (Gossens S. 114). So fristeten nun die armen Bauern ihre Tage in Elend und Unglück beschwert zudem von der täglichen Wacht und anderen Lasten die der Krieg ihnen auferlegte. Mordend, brennend vergalten die fremden Horden jeden Widerstand. Eine Beschwerdeschrift der Stadt Essen an die spanische Regierung aus dem Jahre 1599 spricht von „ungeheurer Menge von Schweinen, Stieren und Kühen, die von den Soldaten sowohl aus dem Fürstentum Essen als der angrenzenden Grafschaft Mark getrieben sein.“

Die Kriegsgreuel erneuerten sich im Jülich-Clevischen Kriege. Die Äbtissin jammerte in einem Schreiben vom 9. Juni 1615 an den Kurprinzen von Brandenburg „dass ihre Bauern mehrer Teil kaum die Haut erhalten und die übrigen in unwiederbringlich Schaden gestürzt.“
Noch viel schrecklicher waren die Leiden, welche der 30jährige Krieg über unsere Gegend ausgoß. Zu Beginn des Krieges erschien ein großer Komet, den das Volk als einen Vorboten kriegerischen Unheils ansah. Ein Essener Chronist meldete hierüber: „Anno 1618 hat man auch den großen schrecklichen Kometstern mit dem langen Schwanz zu Essen gesehen, darauf die in Bohemia und im ganzen Reich erfolgt ist (Wittens Essener Stadtchronik in B. 11.Z.d. B.G.Z.).

Im Jahre 1622 – 1624 waren abwechselnd Italiener, Spanier, Holländer, Schweden und Kaiserliche hier. Als die Niederländer 1632 das Stift Essen verließen, besetzten es die Kaiserlichen unter dem General Pappenheim. Das raub- und beutelustige Kriegsvolk durchstreifte plündernd und sengend die Bauerschaften, verwüstete die Äcker, misshandelte Weib und Kind und schlug nieder was sich wiedersetzte. Die räuberischen Hessen und Schweden benahmen sich nichts besser. Die zügellosen Haufen hielten alle in Angst und Schrecken. Altendorf, überhaupt die ganze Gegend hier, hat im 30jährigen Krieg Schweres durchgemacht. Der entsetzliche Krieg und seine noch gräßlichere Genossin die Pest hatten gewaltig unter der Bevölkerung aufgeräumt.
Im Herbste 1635 und 1666, zog der grausame Würger die Pest auch durch unsre Heimat. An den Häusern, wo Pestkranke waren, wurde ein schwarzes Kreuz gemacht. Folgende Sprüche stammen noch aus jener Zeit:

                      „Weinet die Bauernbrut
                      Ist´s den Herrn gut.
                      Mit lachendem Gesicht
                      Taugt sie nicht.“

                      „Der grimmig Tod mit seinem Pfeil
                      Tut nach dem Leben zielen
                      Den Bogen schießt er ab in Eil
                      Und lässt nicht mit sich spielen:
Das Leben entschwindet
                      Wie Rauch im Wind
                      Kein Fleisch ihm mag entrinnen:
                      Kein Gut noch Schatz
                      Beim Tod find´t Platz
                      Du musst mit ihm von hinnen.“

Während des Französisch – Niederländischen Krieges 1672 – 1686 ergossen sich wieder fremde Truppen über unsere Gegend. Abteilungen des ländersüchtigen Franzosenkönigs Ludwig XIV; der einen Raub- und Religionskrieg gegen die protestantischen Holländer unternahm, besetzten schon im Sept. 1672 das Stift Essen. Marschall Turenne war am 18. September in Steele, wo er auf dem Steeler Berg mit Wein und Butterbrot bewirtet wurde (Grevel, Essener Beiträge VI.). Noch gegen Ende des Krieges verübte das französische Kriegsvolk die ärgsten Greuel an den Bewohnern. Von Bochum aus unternahmen sie ihre Beutezüge, die Bewohner flohen größtenteils in die Wälder.

Im Jahre 1609 war der letzte Herzog Johann Wilhelm von Kleve-Mark gestorben. Die Grafschaft Mark kam an Preußen, also auch Altendorf.

Im Siebenjährigen Kriege 1757 besetzten die Franzosen die preußisch – märkischen Orte an der östlichen Grenze des Fürstentums, so Bochum, Wattenscheid und  Gelsenkirchen. Von hier aus suchten sie da angrenzende Gebiet heim. Die Frucht wurde von Felde gestohlen und Pferde und anderes Vieh mit Gewalt geraubt. Die Franzosen durchzogen auch 1760 mit der Hauptarmee die Heimat. Die Bauern auf Stunden im Umkreis hatten den Franzosen:
Brot, Fleisch, Bier, Pferdefutter und sonstige Lebensmittel nach Stalleicken zu schaffen. Erst im Dezember 1762 wurden die französischen Plagegeister durch ein preußisches Heer verjagt.
Erleichtert atmete die Bevölkerung unserer Heimat auf, als am 15 Februar 1763 der Friede zu Hubertusburg den Drangsalen des Krieges ein Ende machte.

In Frankreich war gegen Ende des 18. Jahrhunderts die Revolution ausgebrochen, die ihre Einwirkung bis weit nach Deutschland fühlbar machte. Nach der unglücklichen Schlacht bei Jena und Auerstädt hatten die siegreichen Truppen, die Franzosen völlig freie Hand über unsere Gegend. Im  Jahre 1808 wurde unsere Heimat unmittelbar an Frankreich geschlagen, als Königreich Westfalen. Die französische Verwaltung kann es sich als ein Verdienst anrechnen, dass sie es zuerst war, welche die Lage der hiesigen Bauern durch Ablösung und Beseitigung der alten feudalen Lasten verbesserte.
Unterdessen seufzte die Bevölkerung unter dem fremden Joch, das eine unerhörte Blutsteuer an kriegsbrauchbaren Landessöhnen erpresste.  Es lässt sich verstehen, wenn die jungen Leute keine Lust empfanden, für die fremden Eroberer auf fremder Erde zu sterben.
Viele entflohen und verbargen sich. Zuweilen verteidigten sie sich in Scharen gegen ihre Häscher. So berichtet am 19. Dezember 1808 der Polizeirichter Rautert von Hattingen über eine Bande fahnenflüchtiger Burschen, die sämtlich uniformiert und bewaffnet, in der Nacht zum 19. Dezember die Ruhrbrücke daselbst überschreiten wollte, wobei aber von der Brückenwache 4 Mann eingezogen und einer niedergeschossen wurde. Unerträglich aber wurden die Lasten für die Fremdherrschaft, als im Frühjahr 1812 sich die ungeheueren Truppenmassen über unsere Gegend sich nach Russland hinwälzten. Die Einquartierungen wollten nicht mehr aufhören und den Bauern wurden in kürzesten Fristen die ungeheuerlichsten Heereslieferungen an Heu, Stroh, Getreide und Schlachtvieh aufgebürdet. Da brach auf Leipzigs Fluren das Verhängnis über Napoleon herein. Flüchtend flohen die Franzosen  über den Rhein vor den unaufhaltsam nachdrängenden Verfolgern. Am 11. November 1813 waren deutsche Truppen unter dem Jubel der Bevölkerung in unsere Heimat eingerückt.

Den siegreichen Kriegen, um die deutsche Einheit folgten lange, reichgesegnete Friedensjahre.

Das heilige hingebender Begeisterung für das Vaterland riß bei Ausbruch des Weltkrieges die Altendorfer, weit über das gewöhnliche Maß patriotischer Empfindungen hinaus. Auch im Weltkrieg wurde der Hof zu ganz außergewöhnlichen Abgaben an Pferden, Schlachtvieh, Lieferung von Früchten aller Art scharf herangezogen. Auch die Familie Schulte-Holtey stellte zwei Söhne dem Heere.

Und jetzt, wo diese Zeilen geschrieben werden, herrschen wieder fremde Truppen über unser Heimatland. Wir alle wissen es noch wo die Bedrücker einzogen. Doch wie fühlen jetzt die herzen der Ruhrbewohner.
Es war am Vorabend des großen Trauertages. In den Städten und Dörfern der Industrie an der Ruhr fuhr man zur letzten Schicht ein. Noch war unbesetzt und frei das Land, noch war es heiliger, ureigener Heimatboden, derer die jahrzehntelang tagtäglich mit schwerer, mühevoller Arbeit, mit saurem Schweiß und schwieligen harten Fäusten erkauft hatten. Aber das Unheil drohte! Plötzlich erklagen aus den Städten in weiter Runde die letzten Hammerschläge, laut und donnernd kamen die sonst so dumpfen Töne herauf in die abendliche Stille – ein lauter Ruf nach Freiheit aus den heute noch unfreien Schächten. Und hunderte von Sirenen setzten ein und riefen es gleichzeitig von Stadt zu Stadt, von Dorf zu Dorf „Recht! Recht!“ Und aus tausend und abertausend vergessenen und getretenen deutschen Heldengräbern in West und Ost und aus den stillen Hügeln der Heimaterde, allüberall dort, wo ein deutscher Krieger ruhte, erhob sich eine weiße Hand und reckte sich bittend und beschwörend gegen Himmel: „Herr, hilf uns.“
Als nun die fremden Kriegsvölker in ungeheurer Zahl in unsere Heimat einzogen, da konnte man es erst garnicht fassen, jetzt erst erkannten wir, wie wehrlos das tapferste Volk geworden war.
Droben im weiten Himmelssaal aber scharten sich Millionen deutscher Helden um St. Michael. Der führte sie zu Gottes Thron. Sie alle baten Gott-Vater, noch einmal herniederzusteigen dürfen auf die unfriedliche Erde, als Schützer von Weib und Kind, als Helfer in deutscher Not. Über Gottes Thron aber erschien in flammenden Lettern die Schrift „Mein ist die Rache, spricht der Herr.“ – In stiller Nacht aber zogen die lichte Milchstraße dunkle Schatten, ein endloser Zug deutscher Helden, segnende Palmen in den Händen sandten sie stille Wünsche auf liebe Heimstätten herab und heiße Bitten zu Gott empor, um Weisheit und Erkenntnis, um Kraft und Starkmut für deutsche Brüder. –
Die Ruhrbesetzung brachte Einquartierungen, so am:
Längere Zeiten war der Besitzer gezwungen zu flüchten, um einer Verhaftung aus dem Wege zu gehen. Ungeheure Verluste an Gut erlitt der jetzige Besitzer. Doch wenden wir uns jetzt den Werken Heinrichs Schulte-Holtey zu.

 

Heinrich, Peter, Arnold Schulte-Holtey und sein Werk

(* 25.2.1868, + 12.1.1929. oo 24.10.1893 Bernhardine Overthun aus Brambauer, * 14.9.1871, + 11.3.1947. Sie hatten fünf Söhne und 2 Töchter. D. B.)

Hört ihr´s stampfen, hört ihr´s dröhnen,
Wo der Dampftitan sich bläht?
Surren, murren, ächzen, stöhnen,
Rasseln, rollen früh und spät?
Bergmann klopft in dunkler Kammer
Drunten ohne Rast und Ruh´;
Oben schlägt der Eisenhammer
Dumpf und schwer den Takt dazu.“
(Prof. Th. Kummer.)

Wie wallet und wogt das herrliche Land!
Ein Meer aus Halmen, schwankt sie und wankt sie, wenn der Engel des Windes mit seinem Fittich darüber streift. -  Hörst Du, wie´s lispelt und wispert: Geheimnisvolles Säuseln und Rauschen über das weite Gefilde?
Ja, aus diesem Säuseln und Rauschen des Ährenfeldes vernahm in stillen, einsamen Stunden Heinrich Schulte-Holtey seine Lebensaufgabe. Im rüstigen Mannesalter trat er an sein Lebenswerk heran, um hunderte von Arbeitern in Schoße der Erde, in dem Steinbruch und in den Kalkwerken lohnenden Verdienst zu verschaffen und so tausende von Menschen das tägliche Brot zu geben. Doch wollen wir erst hören, war uns die Zeilen verkünden, aus alten Zeiten der Kohlenindustrie.
Die älteste Steinkohlengewinnung haben wir da zu suchen, wo geologisch die Möglichkeit vorhanden war, zutage tretende Steinkohle zu heben, ohne dass man tiefer in die Erde zu dringen brauchte.
An solchen Stellen, in erster Linie in den Tälern und den sich durch ihre Färbung verratenden Äckern stand die Wiege des Steinkohlenbergbaues. Als man sah, dass die schwarze Masse brannte, da hat man zuerst in den Tälern steinbruchartig die Kohle abgehauen, während man auf den Äckern Gruben, sogenannte Pütte, machte und die Kohlen mittels Haspels heraufzog. Schon aus den 14. Jahrhundert haben wir Nachrichten über Kohlengewinnung. Jedenfalls stand das Kohlengraben anfangs dem Eigentümer des Grund und Bodens, auf dem sich Kohlen fanden ganz frei. Um diese ältesten Benutzer der Steinkohle hat sich der Landesherr nicht gekümmert, er hat keine Realabgabe, keinen Zehent davon gezogen. In der Bergordnung, die der Herzog  Wilh. von Jülich-Kleve und Berg im Jahre 1542 veröffentlicht, ist vom Steinkohlenbergbau noch keine Rede und in der Erneuerung dieser Bergordnung durch Kurfürst Georg Wilh., 1639 ist zu Zwecken der Einziehung der Steinkohle noch nichts geändert. Und doch hatte eine brandenburgische Bergordnung für die altbrandenburgische Lande schon 1619 die Steinkohle für regale Fossilien erklärt. Aus dem Jahre 1663 erfahren wir zuerst, dass von den märkischen Ämtern Blankenstein (Altendorf gehörte dazu) Bochum, Wetter und Hörde, der Kurfürst jährlich Kohlenzehnten erhielt.
Die Bergordnung vom Jahre 1542 hatte bereits eine Mehrzahl von Beamten vorgesehen: einen Bergvogt, einen Bergmeister, vier bergverständige Geschworene, einen zehnter, einen Gegenschreiber, Bergschreiber, Schichtmeister, abgesehen von dem Markscheider und den Steigern, die nicht vom Fiskus angestellt wurden.
Der Bergbau kam bis zum beginn des 19. Jahrhunderts nicht über seine ersten Anfänge recht hinaus. Die wichtigsten Ausrichtungsbetriebe waren die Stollen. Unter Ausrichtungsbetriebe verstand man söhlig oder nahezu söhlig aufgefahrene Grubenbaue, die von den Berghängen aus entweder in den Lagerstätten selbst oder, falls das nicht möglich war im Gestein in der Richtung auf den Lagerstätten aufgefahren wurden. Die Stollen im Amte Blankenstein aus dem Jahre 1754 – 1755 die teils in Betrieb, zum Teil stillgelegt waren sind folgende: (es folgt die Angabe von 7 Bergwerken, die nur z. T. in Altendorf waren, andere von hier nennt er nicht) …
So gab es im Amt Blankenstein 44 Stollenbetriebe.
Im Amte Wetter, auf der Zeche Nachtigall im Hettberg, die dem General Frhr. von Elverfeld gehörte, war ein Holtey im Jahre 1754 Schichtmeister. dAs Bergamt gibt über den Schichtmeister Holtey folgendes Urteil:
„Führet wegen Mangel des Schreibens einen Kerbstock.“

Als die Bergwerke tiefer gebaut wurden meldeten sich auch die Gefahren der Tiefe, Feuer und Wasser, die beiden unheimlichen Gewalten. Zur Zeit der Stollenbetriebe kannte man gar keine Schlagwetter. Die Knappen arbeiteten sorglos und sicher bei offenem Grubenlicht. Jeder Arbeiter besorgte sich seinen bedarf an Pulver freihändig und trug ihn in einem ledernen Beutel neben der charakteristischen  blechernen Kaffeebüchse mit sich. Nahte im Sommer die Weizenernte, dann gingen die Hauer in die Felder freibeuten, indem sie die schönsten Halme für sich abschnitten, um sie mit Pulver gefüllt, als Zünder bei der Schießarbeit zu benützen. Die idyllischen Zustände blieben auch, als an die Stelle der Stollen kleine Tiefbaue traten und erst als der Kohlenbergbau langsam tieferliegende Flöze erschloß, änderten sich die Verhältnisse. Auch Altendorf  hielt in der Gewinnung der Kohle und Anlage von neuzeitlichen Betrieben, mit den Nachbargemeinden Schritt. Doch trat im Jahre … durch die Stillegung der Zechen große Arbeitslosigkeit ein, viele Knappen waren gezwungen Altendorf für immer zu verlassen, andere mussten weite Wege machen, um in den Nachbargemeinden ihr Tagewerk zu verrichten. Und doch hat es Heinrich Schulte-Holtey, im Verein mit seinem jetzigen Direktor Heinrich Eickelmann vermocht, hunderten von Knappen in Altendorf wieder Arbeit zu verschaffen. Unter ungeheuren Opfern an Gut, ja das uralte Erbe musste sogar verkauft werden, gelang es nach langen Verhandlungen die Zeche Charlotte in betrieb zu nehmen.
Jetzt steht das Bergwerk im Zeichen Volldampf-Förderung! Wie drehen sich die blitzenden Räder der Maschinen unter dem Namen Charlotte! Wie saust und  surrt und schrillt, wie dampft und rauscht und qualmt, wie heult und zischt es von den Maschinen! Am lärmenden Schacht auf der windigen Halde, in der knatternden Lade: überall rastloses Hin und Her, wogende, wirbelnde Arbeit. Da fügt sich beim leisen Fingerdruck des Maschinisten das Rad- und Kolbenwerk der Dampfmaschine, da speist der winzige Arm des elektrischen Kabels die Unterwelt mit ungezählten Volt von Kraft und Licht. Alles greift harmonisch in einander Dampf, Maschine, Energie und Menschenkraft.

„Doch Weisheit weiß das Tiefste herzuschaffen.
In Bergesadern, Mauergründen
Ist Gold gemünzt und ungemünzt zu finden
Und fragt Ihr mich, wer es zutage schafft:
Begabten Mannes Natur- und Geisteskraft.
Goethe, Faust. II. Teil

Im Jahre 1885, im Alter von 17 Jahren übernahm Heinrich Schulte-Holtey wegen Krankheit des Vaters die elterliche Besitzung. Ein aufgeweckter junger Mann mit dem regsten Interesse für seinen Beruf, ging er mit Feuereifer daran, auf seinem Gute eine Musterwirtschaft einzurichten. Seine größte Freude war es, wenn er zuerst mit der Aussaat und Ernte fertig war. Seine rastlose Tätigkeit wurde durch reichlichste  Erfolge belohnt. Wo ehedem Gestrüpp oder sumpfige Wiesen waren, rollt jetzt goldener Wellenschlag reifender Ähren , in der Nähe am Ruhrstrom, breiten sich rotbeblümte Kleefelder, saftige Wiesen decken die Spiegel der Sümpfe und seine geisternden Irrlichter. Ein großer Übelstand für die Bewirtschaftung des Gutes waren die schlechten Wegeverhältnisse, mit dem jenseits der Ruhr gelegenen Gemeinden. Ganze Tagereisen waren erforderlich, um die landwirtschaftlichen Erzeugnisse in Horst abzusetzen. Mit klarem Blick erkannte er, dass hier Wandel geschaffen werden musste und so reifte in ihm der Plan, gegenüber dem Gute, wo bis jetzt ein Nachen für den Personenverkehr zwischen Altendorf und Horst diente, eine Brücke über die Ruhr zu bauen. Nach langen Verhandlungen mit den in Frage kommenden Behörden gelang es ihm unter tätiger Hilfe einiger Freunde, die Genehmigung zum Bau der Brücke zu erhalten.
Am … gründete er mit seinen Freunden, dem Justizrat Jos. Knipschild, dem Fabrikdirektor Franz Hannesen, dem Sanitätsrat Dr. Hinderfeld und dem bisherigen Inhaber der Ruhrfähre Großjung in Horst, die Horst-Altendorfer Fährgesellschaft m. b. H.  Nun ging er mit aller Macht an den Bau der Brücke. Im Jahre 1900 konnte diese dem Verkehr übergeben werden. Im Laufe der Zeit zogen sich die überigen Gesellschafter des Unternehmens zurück, und am … übernahm Heinrich Schulte-Holtey sämtliche Anteile und wurde somit alleiniger Inhaber.

(es werden dann aufgelistet: Die Dividenden von einem Anteil von 4.800 Mark für die Jahre von 1901 bis 1922. Sie schwankten zwischen 1 – 7 %, lag 1919 bei 2 %, danach wurde bis 1022 keine Dividende mehr gezahlt. Die Einnahmen lagen 1901 bei 1.512 M, von 1902 – 1919 zwischen 5.000 und 9.000 M, um 1920 auf 19.000 M, 1921 auf 28.000 M und 1922 auf 127.000 M zu steigen = Inflation. D. B.)

Zeche Charlotte

Die Zeche Charlotte er-, Ess- und Fettkohlenpartie in den Flözen: Finefrau, Nebenbank, Vincke, Geitling, Kreftenscher II. und I., Mausegatt.
Die Tagesanlagen sind für eine Förderung von 300 t täglich ausgelegt worden. Die Stromversorgung geschieht durch die Bergische Elektrizitäts-Versorgungsgesellschaft Elberfeld. Der Kohlenvorrat beträgt rund 4 Millionen to. Belegschaftstand 290 Mann. Bahnan-schluß zum Bahnhof Altendorf.

(es werden dann die Beschäftigten- und Förderzahlen sowie die Löhne und Gehälter sowie Kassenbeiträge für die Jahre von 1915 bis 1923 aufgeführt. Die Förderung (1915 ./., steigt dann von 1916 (17.000 t bis 1922 auf jährlich fast immer über 50.000 t, um 1923 auf 17.000 t zurückzufallen. D. B.)

Zeche Vinzenz (Witten)

Am 1. Januar 1918 wurde der Betrieb eröffnet. Der Schacht Vinzenz wurde im Flözeinfallen von Flöze Geitling welches auf dem Gelände von Rohde-Steinberg, ca. 250 mtr. nördlich des uralten Schachtes Helene liegt, abgeteuft. Die Abteufarbeiten des Schachtes gingen gut von statten und man hatte ihn nach 6 Monaten bis auf das Standwasser von Helene, also 60 mtr. heruntergebracht. Nun konnte mit 61 Mann Belegschaft die eigentliche Kohlengewinnung beginnen. Die Förderung im 1. Jahre betrug 12.584 to. Im Jahre 1920 teufte man einen 2. Schacht auf dem gepachteten Feldesstück Helene-Nachtigall ab und zwar im Flözeinfallen von Girondelle I bis zum Niveau des ersten Schachtes Vinzenz. Die Jahresförderung betrug bei einer Belegschaftsstärke von 214 Mann 38.632 to. In den letzten Jahren hat die Förderung, ständig unter dem drucke der franz. Besatzung zu leiden.

(es folgen, wie bei Charlotte, Zahlen über Belegschaft, Förderung, Löhne und Gehälter sowie Kassenbeiträge. Die Fördermengen stiegen bis auf 41.000 t, um 1923 auf 13.385 t zu sinken, die Beschäftigtenzahlen stiegen bis auf 233 im Jahre 1923. D. B.)

 

Immer größer und größer wird das Unternehmen Heinrichs Schulte-Holtey, weit über die Grenzen der Heimat hat der Name Schulte-Holtey guten Klang. Ich nenne nur noch Bielefeld-Brackwede und Willebadessen. Einer späteren Zeit bleibt es vorbehalten, über die Entwicklung der beiden Kalkwerke an dieser Stelle zu berichten, sowie auch über den Steinbruch an Altendorf. Es würde das werk seinen Zweck verfehlen, wenn ich nun ein Loblied über den kühnen Unternehmer anstimmen würde, deshalb mögen diese Zeilen ausklingen und möge später sich einer finden, der besser wie ich berufen ist, das Werk zu ergänzen und fortzuführen, bis in die fernsten Geschlechter und auch ein wenig H. Schulte-Holteys 1. Geschäftsführers gedenken, der der Anreger dieses Werkes ist.

Werden –Ruhr, Juli 1924
Hubert Krückhaus, Lehrer
(Transkription im November 2005 durch Dieter Bonnekamp)